Diana Gabaldon – Outlander

Es fällt mir schwer, über diesen Roman zu schreiben, auch wenn ich nicht sagen kann, warum. Er verfolgt mich schon lange, doch bisher konnte ich mich nie überwinden, ihn zu lesen, hielt ich doch die Zeitreisethematik für zentral, an der ich recht wenig Interesse habe. Den Ausschlag gab, dass in einer Auflistung von Anzeichen für Sexismus in Erzählungen bei Mythcreants auch auf Outlander verwiesen wurde (erste Anmerkung des Artikels), in einer Weise, die ich für sehr weit hergeholt hielt. Doch dazu später. Jedenfalls bin ich froh, diesem Roman eine Chance gegeben zu haben, denn er hat mich sehr mitgerissen und berührt, auf vielen Ebenen.

Claire Randall wird durch pagane Magie vom Nachkriegs-Europa des 20. Jahrhunderts zurück katapultiert ins Schottland des 18. Jahrhunderts, wo sie in die Wirren der Clankämpfe gerät und sich in den jungen Jamie verliebt, mit dem sie zuvor zwangsverheiratet wurde. Immer mehr geht sie in dieser Zeit auf und entschließt sich, zu bleiben, obwohl die Möglichkeit zur Rückkehr besteht. Die Charaktere sind überzeugend und einnehmend, auch die Nebencharaktere sind mit Liebe zum Detail entworfen und Diana Gabaldon bleibt ihnen allen über die vielen Seiten ihrer Erzählung treu. Da kann man darüber hinwegsehen, dass der arme Jamie, zur Betonung seiner Stärke und Zähigkeit, dreimal an Folter erleiden muss, was schon einmal vollkommen ausreichend und zweckdienlich gewesen wäre, dass Claire selbst auch mehrfach, teilweise durch Eigenverschulden und Schusseligkeit, beinahe vergewaltigt wird. Man fühlt sich bei der Lektüre in die Welt versetzt und verliert sich in den Träumen von einem unbebauten, unberührten, nahezu menschenleeren Schottland.

Kommen wir aber zurück zum eingangs erwähnten angeblichen Sexismusproblem des Romans. Die Autoren von Mythcreants prangern zusätzlich zu dem oben verlinkten in einem weiteren Artikel ausführlich an, dass von den kampferprobten Schotten behauptet wird, ein „smallsword“ sei zu schwer für eine Frau und eine „flintlock pistol“ erst recht, stattdessen gestehe man ihr lediglich einen Dolch zu, mit dem sie gegen Schwertträger keinerlei Möglichkeit hätte, zu gewinnen. Um den Wahrheitsgehalt dieser Aussage in Bezug darauf, wie es im Roman formuliert wird, darzustellen, lässt sich hervorragend das berühmte Radio Eriwan zitieren: „Im Prinzip ja, aber“ zum einen gilt die Aussage der Schotten nicht für Frauen allgemein, sondern spezifisch für Claire, die niemals eine Form von Waffentraining erhalten hat und nun, während einer Reise durch die Wildnis, im Schnellverfahren lernen soll, sich einigermaßen selbst zu verteidigen, zum anderen gesteht man ihr nicht einfach einen Dolch zu, damit sie gegen mit Schwertern bewaffnete Gegner allein wehrlos ist, sondern man empfindet diese Waffe als diejenige, mit der man am schnellsten zu gewissen Selbstverteidigungsfähigkeiten kommen kann. Es geht also nicht darum, die Frau kleinzumachen, sondern diese Bewertung der Waffen ist im Gegenteil ausschließlich der fehlenden Zeit für eine sinnvolle Waffenausbildung und Claires mangelnde Vorkenntnisse geschuldet, möglicherweise auch der Unfähigkeit der Schotten, Claires Können einzuschätzen, da sie sich erst kurz kennen und noch kürzer gemeinsam reisen. Mit einer Pistole schießt Claire später übrigens doch noch. Vergessen werden darf an dieser Stelle auch nicht, dass wir über einen historischen Roman sprechen, der den Anspruch hat, die Verhältnisse der Handlungszeit realistisch widerzugeben. Das bedeutet auch, dass man heutige Rollenvorstellungen nicht an einen Roman anlegen darf, der vor fast 300 Jahren spielt! Diese ewige Suche nach Unterdrückung und sozialer Ungerechtigkeit in der Literatur nervt mich persönlich kolossal, ganz davon abgesehen finde ich, dass Outlander äußerst positiv auffällt durch starke, vielschichtige Frauenfiguren auf allen Relevanzebenen innerhalb der Handlung. Zu diesen gehört auch die Schwester Jamies, eine vom Schicksal nicht begünstigte Frau, die sich auf dem Familiensitz in Abwesenheit ihres Bruders hervorragend bewährt und in vielen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt, in denen die Männer dieses Körperteil lieber nutzen würden, um mit ihm die Wand zu durchbrechen.

Viele Sexszenen hat der Roman allerdings tatsächlich, auch viele, in denen die Frau nahezu unterdrückt wird, jedenfalls nicht immer allzu begeistert ist – im ersten Moment. Wirkliche Vergewaltigungen hingegen werden ausdrücklich verdammt, zudem ist der Stil der Beschreibungen ein erstaunlicherweise nicht abstoßender, eine Leistung, die nur sehr wenigen Autoren gelingt.

Mein Wort zum Mittwoch. Nun werde ich weiter im Fernweh schwelgen, dass dieser wunderbare Roman in mir ausgelöst hat und versuchen zu entscheiden, ob ich den zweiten Band lesen möchte. Der beginnt leider mit einem Zeitsprung von zwei Jahrzehnten, was mich doch wieder sehr stark abschreckt. Mir gefallen lückenlose Handlungen einfach besser. Von den repetitiven Elementen der Handlung dieses ersten Bandes blieb mir nichts so sehr im Gedächtnis, wie seine vielen abwechslungsreichen, positiven Anteile.